VERHALTET EUCH RUHIG | PART 1

VERHALTET EUCH RUHIG | BILDER VON DEN AUFFÜHRUNGEN IN BERLIN UND MÜNCHEN

INFO | DE

 

Während der Proteste in der Türkei im Juni 2013 stellte sich der Künstler, Tänzer und Choreograph Erdem Gündüz auf den Istanbuler Taksim-Platz und schaute stundenlang schweigend auf ein Bildnis von Mustafa Kemal Atatürk, dem Gründer der modernen Republik. Acht Stunden lang stand er, bis die Polizei kam und nicht wusste, was sie von Gündüz halten sollten: war das Protest, war das nur ein Verrückter, sollte man gegen ihn vorgehen? Der Staat hatte am 17. Juni ein Demonstrationsverbot verhängt, um die Proteste zu ersticken. Doch was sollte sie gegen die stille Aktion des Erdem Gündüz unternehmen?

 

Schnell stellten sich zahlreiche Leute zu Erdem Gündüz, weltweit erfuhr er Solidarität. In kurzer Zeit verbreitete sich sein Bild des stillen Protests, er wurde als 'Standing Man' zum Emblem des gewaltfreien Widerstands.

 

Was geschieht, wenn Erdem Gündüz sein Stehen nun im Kontext der Kunst wiederholt, wenn auch Besucher im Kesselhaus anstatt der Passanten am Originalschauplatz partizipieren können? Ist Kunst schon widerständig, wenn sie Formen des realen Protests in sich aufnimmt? Kann die Kraft der Revolte sogar Konventionen der Kunst sprengen? Regisseur Sebastian Blasius hat mit „VERHALTET EUCH RUHIG“ ein sechsstündiges Performance-Projekt an der Grenze von ästhetischer und sozialer Choreografie sowie bildender Kunst entwickelt.

 

Die konzeptionelle Idee ist: Der Besucher betritt den Raum und hört eine Tonspur mit Geräuschen von Aufständen, die mit seinem eigenen Verhalten im Raum interagiert. So sind die Sirenen, Rufe, Trommelrhythmen am Lautesten, wenn sich kaum jemand im Raum aufhält. Hatte der Besucher beim Betreten die anderen Personen noch ebenfalls für Besucher gehalten, bilden einige von ihnen plötzlich eine Formation und durchqueren mit spurtenden Schritten und erhobenen Fäusten den Raum: Eine Aufstands-Choreographie, die gleichermaßen anstecken wie ins Leere laufen kann. Nach einiger Zeit unterbrechen die Ausführenden die Formation mehr und mehr, steigen aus, bleiben stehen und schweigen, so dass die konkrete soziale Interaktion zwischen den Anwesenden in den Mittelpunkt gerät. Zuschauer wie Performer werden in einen Zustand versetzt, der zwischen Aktivität/Mobilität einerseits und Unterlassen/Innehalten andererseits changiert. Alle Teilnehmer geraten unwillkürlich in ein Spannungsfeld zwischen realpolitischer Aktion und künstlerischer Formation.

 

Die Raumgestaltung übernimmt der bildende Künstler Ralf Ziervogel. Auf kindsgroße Stelen wird er getönte Glasscheiben aufstellen, benetzt mit Fingerspuren, die an heutige Table-Computer erinnern und zugleich Zeichnungen sind. Werden die Objekte zunächst in einer eindeutigen geometrischen Formation im Raum platziert, können sie während der Aufführung von den Besuchern frei umgestellt werden, auch die Glasscheiben können bewegt, ausgetauscht oder anderer Weise benutzt werden.

 

Die Besucherinnen und Besucher können den Zeitpunkt ihres Kommens und Verlassens selbst bestimmen.

INFO | EN

 

A durational format about resistance, art, possibilities of participating and spectating

 

What happens when elements of real protests are transfered into the context of art? When we here meet again choruses from Tahrir Place, calls for a change, the Standing Man from Taksim place? Can art significantly be resistant when it starts to include forms of real protests? Or can the power of riots break with conventions of art?

 

VERHALTET EUCH RUHIG / KEEP QUIET is a durational format on the boarder of visual art and choreography. Visitors can decide themselves when to come and to leave the space. The project subverts classical separations of spectators and performers and questions the possibilities of political change through insurrections as well as through an artictic medium: "The monument has to become revolution and the revolution has to become monument again." (Jacques Rancière)

TEAM

 

Konzept/Realisierung: Sebastian Blasius Dramaturgie: Daniel Franz Raum: Ralf Ziervogel Sound: Christoph Korn Assistenz: Ola Stankiewicz

 

Mit: Erdem Gündüz (Tänzer, Choreograf), Antje Velsinger (Tänzerin, Choreografin), Maya Weinberg (Tänzerin, Choreografin) und Eduard Mont de Palol (Musiker, Tänzer), Jan Dieter Schneider (Schauspieler), Benjamin Schoppmann (Tänzer), Brygida Ochaim (Tänzerin), Brigitta Schirdewahn (Tänzerin)

 

VERHALTET EUCH RUHIG ist eine Koproduktion mit RODEO 2014 in Kooperation mit den Uferstudios für Zeitgenössischen Tanz Berlin, C60 Collaboratorium für Kulturelle Praxis Bochum, Galerie Susanne Burmester Rügen.

Gefördert durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München, den Bezirk Oberbayern und das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieses Projekt wird ermöglicht durch den Bayrischen Landesverband für zeitgenössischen Tanz (BLZT) aus Mitteln des Bayrischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Diese Veranstaltung wird ermöglicht durch das NATIONALE PERFORMANCE NETZ im Rahmen der Koproduktionsförderung Tanz aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.