Ligeti: Harmonies

Ein Auschnitt aus der Komposition Harmonies (1967) von György Ligeti (1923-2006)

live Mitschnitt, Bachelorkonzert taro kaube

 

 Harmonies besteht aus einem 10-stimmigen Akkord, von dem sich über das ganze Stück jeweils nur ein einzelner Ton gleichzeitig weiterbewegt. Alle zehn Finger spielen durchgängig gleichzeitig. Der Klang entwickelt sich langsam, aber stetig und verändert sich nicht nur durch das langsame Wechseln der Töne, sondern auch dadurch, dass mit den technischen Möglichkeiten der Pfeifenorgel experimentiert wird: Register werden sehr langsam und teilweise nur halb gezogen, sodass an manchen Stellen der Ton nicht voll erklingt und stattdessen manchmal nur Luft oder leises Pfeifen hörbar ist. Wie das Stück klingt, kann von Interpret*in zu Interpret*in und von Instrument zu Instrument, von mal zu mal gänzlich unterschiedlich sein.
Die Art wie das Stück konzipiert und interpretiert werden soll, hat mich in meiner späteren Arbeit an digitaler Musik beeinflusst:
Die Freiheit, die Klänge zusammenzustellen, herauszufinden, wie sich die gegenseitigen Sounds beeinflussen, wie sie gegenseitig in einander Obertöne herausbringen oder ersticken, genau abzupassen, wann und wie schnell ein Register gezogen werden muss, um den gewünschten Klang im Raum zu bekommen, mit dem Finger genau zu spüren, wie viel Gewicht auf eine Taste gegeben wird, damit sie genau im richtigen Tempo gespielt wird, genau hinzuhören, genau abzuwägen, wann und in welcher Laustärke welcher Sound erklingen soll, welche Register miteinander kombiniert werden sollen und dann im Raum mit Hall zu experimentieren.
Nicht unähnlich gehe ich auch heute noch manchmal vor, wenn ich digital arbeite:
die vorher aufgenommen Klänge neu abmische, neu zusammenstelle und versuche, genau den Klang zu treffen, den ich im Kopf habe.

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